Glück auf Bochum.

Lange war es ruhig hier.
Das lag daran, dass ich Kisten und Kartons, Schallplatten und Erinnerungen, sowie Schränke und den Rest meines Lebens verpackt und transportiert habe. Eigentlich mehr die unseres Lebens, denn meine hochschwangere Freundin wurde auch umgezogen.

Umgezogen, tillsammans ins gemeinsame Nest im Ruhrgebiet.
Hej NRW! Da bin ich wieder, nach gut acht Jahren der Abwesenheit.

„Tief im Westen
Wo die Sonne verstaubt
Ist es besser
Viel besser, als man glaubt
Tief im Westen“

Bochum, du bist es geworden. Meine neue Heimat, mitten im Pott, wo die Menschen das Herz auf der Zunge tragen, wo manches ein wenig rauer erscheint, aber eigentlich gar nicht ist. Wo Trinkhallen und Currywurst zur täglichen Kultur gehören und liebe Freunde in der Nachbarschaft leben.

„Du bist keine Weltstadt
Auf deiner Königsallee
Finden keine Modenschauen statt
Hier, wo das Herz noch zählt
Nicht das große Geld
Wer wohnt schon in Düsseldorf?“

Bochum ich freue mich auf dich! Deine Ecken und Kanten zu erkunden, ganz bald dann auch als Familie, immer mit Kamera, Wickeltasche und Kinderwagen ausgestattet.

„Du bist keine Schönheit
Vor Arbeit ganz grau
Du liebst dich ohne Schminke
Bist 'ne ehrliche Haut
Leider total verbaut
Aber grade das macht dich aus“

14 Tage hat es gedauert. Umzug, einrichten, Dinge auf – und abbauen.
Bereits jetzt fühlt es sich nach uns an. Alle Dinge haben ohne Probleme oder Diskussion ihren Platz gefunden (okay, meine Platten noch nicht, da suchen wir noch nach einer skandinavisch-reduzierten Aufbewahrungslösung). Aber alles hat sich ganz wunderbar entspannt nach und nach zusammengefügt.

Diese Entspanntheit tut gut, so kurz vor Geburt.
Wir können uns auf das wesentliche konzentrieren: Uns. Und auf den ein oder anderen Antrag den man als werdende Eltern ausfüllen muss. Aber das wäre wahrscheinlich ein extra Artikel wert.

Depth over distance.

Depth over distance every time, my dear.
And this tree of ours may grow tall in the woods.
— Ben Howard "Depth over distance"

Distanz, du olles Ding.

Ein Gastbeitrag und Manifest für die Liebe von mir, Lisbeth.


Diesen Beitrag zu verfassen und den Gedanken freien Lauf zu lassen, könnte vom Moment her nicht passender sein: ICE 712 Destination Köln HBF. Startbahnhof Wiesbaden an einem für Januar recht milden Montagmorgen gen 6:15 an Gleis 9.

Abschied. Bis Freitag. Bepackt mit Erinnerungen vom Wochenende im Herzen nebst Kulturbeutel und Reise-Butterbrot. Abschied. Oh, du bittersüßes Wort. Ich sitze mit vielen Geschäftsreisenden in Wagen 17 und bin zuversichtlich, meinen Anschlusszug in Köln Richtung Ruhrgebiet zu erwischen.

Ich komme nicht umher, mich zu fragen, woher all diese Menschen kommen mögen und welches Ziel sie für den heutigen Tag ansteuern. Kehren sie wohl am Abend nach Hause zurück zu ihren Lieben? Meine Reiseintention ist weniger geschäftlich, ich reise der Liebe wegen- als Teilzeitkraft. Teile mir diese Tätigkeit mit meinem Partner. Kann man so sagen.

(Er bat mich, einmal meine Sicht der Dinge niederzuschreiben. OK, here we go.)

So verrückt unsere Liebesgeschichte begann, so kurios gestaltet sich seither auch unsere Historie, was das Abenteuer #distancelove betrifft. Wir meisterten länderübergreifend eine Distanz von 1555km zwischen Schweden und Deutschland pro Weg, düsten quer durch die schwedische Natur, um auch nur einen Tag und eine Nacht beieinander sein zu können, wurden zu Flugplanexperten und ließen kaum ein Verkehrsmittel aus, um diese wahrlich schmerzhafte Distanz zu überwinden. Irgendwann haben wir einmal die zurückgelegten Kilometer ausgerechnet und staunten nicht schlecht, was wir da gemeinsam „geschafft“ hatten: es waren mehr als 21.753km in knapp vier Monaten und jeder Kilometer war es (mir) wert, so viel sei gesagt.

Doch auch die nationale Distanz von knapp 235km pro Strecke gilt es, seit letztem Frühsommer zu meistern. Auch da sind wir durchaus erfinderisch: Deutsche Bahn, Mietwagen und der verflixte Flixbus, welcher nicht selten zum Namens- Paradoxon wurde: wir nahmen alles in Kauf. Nun gibt es unseren Dirk, einen soliden Volkswagen, den wir jeden Tag aufs Neue zu schätzen wissen und der so vieles einfacher macht, wenn nicht gerade Vollsperrungen und plötzliche Schneestürme hereinbrechen. Geräumig ist er auch, insbesondere für die kommenden Abenteuer, dennoch brannte ich zuvor für einen kleinen Franzosen. Allein die Vorstellung zweier Hightower in der kleinen Kiste... lassen wir das!

Zurück zu den wesentlich aufregenderen Erlebnissen: einmal brauchte ich für die Strecke Wiesbaden-Bochum via Flixbus-Direktverbindung acht (!) anstatt angepeilter vier Stunden, unser erstes Treffen begann panisch mit dem Verpassen des Anschlusszuges am Frankfurter Flughafen und ein tödlicher „Personenunfall“ auf dem Weg gen Bochum von Wiesbaden aus zählt gewiss zu den einschneidensten Erlebnissen, die man niemandem wünscht. Was noch aussteht: Fahrrad und Taxi. Beim Rad bin ich raus, da ich einmal im heimischen Stadtpark bei zu großer Hitze und zu wenig Wasser am Mann schlapp gemacht und ein nachhaltiges Trauma davon getragen habe, Taxi fände ich höchst amüsant und ist noch nicht ganz aus dem Gedankengut, wenn auch arg absurd!

 

Um das ganze noch zu toppen, sei anzumerken, dass sich die #distancelove noch einmal maßgeblich verändert, wenn man eine Familie gründet. Und das Abenteuer dürfen wir derzeit erleben und erwarten im Frühjahr unsere kleine Tochter, der wir irgendwann einmal unsere (Liebes-)geschichte aufs Auge drücken werden, dann aber unter der einen ausschlaggebenden Bedingung: auf dem heimischen Sofa des gemeinsamen Familiennests.

Und darin besteht der für mich sehr wichtige Punkt: „Sei realistisch und plane ein Wunder“- getreu fokussieren wir uns auf kleine und große Etappenziele, zur zeit ist dies natürlich das gemeinsame Heim, in der wir uns als Paar, Eltern und kleine Familie finden und zusammen diesen einen Ort schaffen können, den unsere kleine Tochter einmal ihr „Elternhaus“ nennen wird. Gemeinsam – tillsammans, wie es so schön auf schwedisch heißt und wo so viel Bedeutung hinter steckt. Gemeinsame Zeit ist das kostbarste Gut bei der #distancelove, da geht es weniger um allwöchentliches Entertainment und Druck, alle ToDos und soziale Verpflichtungen gemeinsam am Wochenende „abzuarbeiten“. Da geht es um das Miteinander und um (begrenzte) Zeitfenster, die sich auch in Jogginghose auf dem Sofa bei Tiefkühlpizza gut anfühlen. Es braucht nicht viel. Und Zeit ist wahrlich ein Geschenk, was man jede Woche aufs Neue zu schätzen weiß.

Dennoch bedeutet Begrenzung auch immer Traurigkeit und Phasen, in denen einem die aufbauenden Worte des jeweils Anderen nur teilweise aufmuntern. Meister im Abschiednehmen möchte ich niemals nie werden, vielmehr im Willkommenheißen und Ankommen. Dennoch sind diese (traurigen)Phasen wichtig, sie machen stark und lassen einen noch näher zueinander finden, denn: The distance is only physical, baby.

Auf viele Abenteuer- tillsammans und an einem gemeinsamen Ort, unserem Zuhause.Ich bin sehr stolz auf dich und unendlich dankbar.

L.