72 Stunden Berlin.

„Fahr doch mit Hedi nach Berlin über das Wochenende. Lass uns mal nach günstigen Bahn-Tickets schauen.“ sagte sie. Da stand er nun im Raum der Gedanke. Papa & Tochter Wochenende in der Hauptstadt, inklusive ICE Fahrt und ohne die Mama. Warum? Mama brauchte ein paar Tage produktive und kreative Zeit, um ihre Masterarbeit nahezu fertigzustellen und ich? Ich wollte mich dieser Herausforderung stellen. Klar, ich hatte ein Jahr Elternzeit und sicherlich war ich auch tageweise mit Hedi allein. Aber drei volle Tage, dass hatten wir noch nie. Es sollte eine ganz wundervolle Zeit werden, so viel vorweg.

Drei Stunden ICE Fahrt Richtung Berlin galt es, Gott sei Dank ohne Umstiege und Verspätung zu meistern. Drei Stunden ein mittlerweile sehr agiles und neugieriges Kind in einem Zug bei Laune zu halten ist erstaunlich leicht, wenn der Sitznachbar hinter einem vier Jahre alt ist und den neugierigen Blicken zwischen den Sitzreihen eine kleine Portion Schabernack entgegenbringt oder die rüstige Dame schräg gegenüber immer wieder in unsere Richtung lächelt. Essen ist dann der finale Schlüssel zum ausgeglichenen Kind, zumindest war und ist es so bei uns. Mögen die Milchbrötchen nie alle werden. Und so verging die Zugfahrt wie im Flug und nach kurzer Orientierungsphase in der Hauptstadt galt es, das nächste Ticket zu lösen, um die Freunde zu besuchen, die uns lieber weise über das Wochenende beherbergt haben. 16 Minuten Regiobahn später, zeigte sich Berlin von einer völlig anderen und sehr idyllischen Seite. Pure Ruhe, viel Grün und ein bisschen Bullerbü-Gefühl.

Nach einem großen und kleinen „Hallo“ bezogen wir unser gemütliches Gästezimmer und Hedi bestaunte das Kinderzimmer unserer Gastgeber, fühlte sich direkt pudelwohl und spielte mit Dinos, Feuerwehrautos und setzte sich wie eine Königin auf die große Ausgabe ihres geliebten Ohren-Sessels.
Wir waren also angekommen, um uns kurz darauf direkt wieder auf den Weg zu machen, ein wenig die Umgebung zu erkunden und natürlich um Fotos zu machen. So isses halt, wenn zwei Instagrammer aufeinander treffen. Ohne Klimaanlage, dafür aber mit viel Mineralwasser und guter Laune entdeckten wir gemeinsam ein wenig die Gegend, machten kurze Stopps, um zu fotografieren und aßen Eis. Während sich Hedi einen weiteren Löffel Mango-Eis aus meinem Becher mopste, merkte ich wie unaufgeregt ich war. Unaufgeregt im Sinne von: „Läuft ja.“ Welch großartige Reisebegleitung ich da einfach an meiner Seite hatte. Wie sicher sich dieser kleine Mensch in einer neuen Umgebung zurecht fand. Wie bedacht und mutig sie war/wurde/ist.

Nach einem ausgiebigen Abendessen fielen wir alle erschöpft ins Bett und eine Mütze Schlaf konnten wir alle gut gebrauchen, so wollten wir doch am kommenden Tag Potsdam erkunden.
Nach einer ersten, erholsamen Nacht „auf dem Land“ frühstückten wir in aller Ruhe, spielten mit den Kindern und machten uns gemeinsam auf in die Stadt in der einst Friedrich der Große sommerlich residierte. Wer hätte es ihm verdenken können. Erstmalig in Potsdam staunten Hedi und ich nicht schlecht, so hatten wir das Gefühl in einer Filmkulisse unterwegs zu sein. Beeindruckende Bauten, erholsame Gärten und Hedi? Sie meisterte kichernd und zu Fuß das Kopfsteinpflaster, bestaunte Säulen oder einfach einen Grashalm. „Wie sehr sie sich einfach in den letzten Wochen verändert hat.“ dachte ich mir und dieser Gedanke erfüllte mich mit Vaterstolz. Welch Erfahrung, die ich so dankbar annahm. Nach so viel historischem Erkunden zog es uns im Anschluss in den Garten, die Kinder brauchten ein wenig Wiese und Matsch und die Eltern ein kühles Getränk. So neigte sich der zweite Tag mit einem gemeinsamen Bad der Kinder und Abendessen dem Ende zu. Während im spätsommerlichen Idyll die Sonne sank und wir alle zur Ruhe kamen.

Der Montag war gleichzeitig auch Tag der Abreise und des Erkundens der Stadt. Hedi und ich fuhren in aller Ruhe Richtung Innenstadt, da unsere Gastgeber in die KiTa bzw. zur Arbeit mussten. So besuchten Hedi und ich zwei, drei Fotomotive und gegen Nachmittag machten wir ein kleines Picknick auf der Wiese vor dem Reichstag, bevor es dann wieder nach Hause gehen sollte.
Diese Stunde auf der Wiese war geprägt von Staunen und Kichern, von Ausgelassenheit und Nähe. Ich machte ein Video für Mama zu Hause und dokumentierte ungewollt den prägendsten Moment dieser Reise. Hedi und ich spielten Fangen und sie jauchzte vor Glück. Sie war frei und zufrieden. Ich war ergriffen und stolz, verdrückte eine Träne (vielleicht auch fünf) während ich mir diese Momentaufnahme abermals ansah. In meinem Kopf fügten sich plötzlich so viele Gedanken, denn wir als Familie können alles schaffen, wenn wir nur zusammenhalten und uns gegenseitig den Rücken freihalten. Die folgende Zugfahrt Richtung Heimat beinhaltete alles von fast einer Stunde Verspätung, seltsamen Mitreisenden und und und. Sicherlich auch ein paar Zeilen wert, aber warum für solch negative Dinge Energie und Kraft verschwenden?

Focus on the good.

PS: Danke von Herzen an Cat und ihre Familie. Für das Beherbergen, Tourguide spielen, den Garten und gute Gespräche.

Diese Stadt ist eben doch gar nicht so hart, wie du denkst.

Guten Morgen Berlin
Du kannst so hässlich sein
So dreckig und grau
Du kannst so schön schrecklich sein
— Peter Fox "Schwarz zu blau"