K12.

Während Deutschland einen Hitzerekord nach dem anderen feiert, tauchten wir die letzten Tage in unsere ganz eigene Blase ab. Leider nicht um uns im kühlen Nass zu erfrischen, sondern vielmehr ins nicht klimatisierte Krankenhaus, genauer gesagt in die Kinderchirurgie in Dortmund, Station K12. Ein lange geplanter Termin, nach vielen Besuchen bei anderen Ärzten und basierend auf unserem Krankenhausaufenthalt im Januar.

Im Vorfeld gab es eine Vielzahl an Optionen, wie Hedi geholfen werden kann und die Wahrscheinlichste sollte nun durchgeführt werden, kleiner Eingriff von den Experten für solche Diagnosen. Positiv gestimmt bezogen wir unsere temporäre Unterkunft, begleitet von ersten Eindrücken und Schicksalen anderer Eltern. Irgendwie scheint die Zeit in einem Krankenhaus langsamer zu verstreichen, gar still zu stehen. Ich durfte E. und ihren Vater kennen lernen, denn wir teilten uns für die ersten Stunden ein Zimmer, bevor wir nochmal nach schräg gegenüber verlegt wurden. E. ist erst eine Woche alt und hatte ihren Magen und ein paar andere Innereien sicher in einem Beutel verpackt außerhalb ihres Körpers an einem Gestell über sich hängen. Sie ist mit offenem Bauch auf die Welt gekommen und man vertraut die nächsten Wochen auf die Schwerkraft, dass diese quasi von alleine alles reguliert. Welch tapfere Eltern sie hat, die sich abwechselnd um die ältere Tochter zu Hause im Sauerland kümmern und jeden Tag pendeln müssen um alles irgendwie organisiert zu bekommen. Die Mutter selbst noch geschwächt von der Geburt, zerreißt sich herzergreifend mit ihrem Mann für die Familie. Dann hört man Gespräche von Krankenschwestern über einen kleinen Patienten, der später am Tag auf die Station kommen soll. Eltern haben sich gestritten, Kind war im Maxi Cosi festgeschnallt und ist damit die Treppe heruntergefallen. Unfassbar was alles jeden Tag passiert.

Mittlerweile sind wir auf Zimmer 2.05 umgezogen, die Hitze steigt ins Unermessliche und Hedi schwitzt mit ihrem Papa um die Wette. Erste Voruntersuchungen verursachen bei allen beteiligten Stress und steigende Schweißausbrüche. Hedi versteht gar nicht was los ist, weiß aber sehr genau für sich, dass sie die Menschen in weiß gekleidet nicht mag. Wie gerne würden wir ihr erklären können: Wieso, weshalb, warum.

Der Tag verstreicht in Zeitlupe, umso mehr verwirrt es mich, bereits um 16:45 Uhr Abendbrot zu bekommen: zwei trockene Scheiben Graubrot und Teewurst. Ein trauriger Anblick und ein noch traurigeres, kulinarisches Lowlight.
Um die nächsten Stunden abzukürzen: Die Nacht war eine Herausforderung. Es war heiß und Hedi konnte lange nicht einschlafen, aufgrund der Eindrücke und der ungewohnten Umgebung. Die Lösung war Nähe und so schlief das kleine Heizkraftwerk an mich geklammert völlig erschöpft ein.

Der Tag der OP begann für uns bereits um 5:15 Uhr, Hedi hellwach und fit. Gut, dass wir bereits um 8:00 Uhr als Erste in den OP konnten und somit der Zeitraum zum Überbrücken relativ übersichtlich blieb. Als Hedi dann um kurz vor Acht vorbereitet wurde und ihr viel zu großes OP Hemdchen anziehen musste, da kommen mir bei der Erinnerung immer noch die Tränen. Schlagartig fühlte ich mich an die Zeit im Januar zurückversetzt. Absoluter Kontrollverlust. Gott sei Dank hatte sie bereits zwei Pflaster zur Beruhigung und wurde ganz schläfrig, während sie bei Lisbeth auf dem Arm immer ruhiger wurde. Ich bewundere Lisbeth sehr dafür, wie stark sie war, als sie Hedi Richtung OP begleitete. Als die kleine Karawane Richtung OP aufbrach, war da plötzlich für ein paar Minuten eine unfassbare Stille in Zimmer 2.05. Ich saß alleine vor meinem Frühstück und brach in Tränen aus. Jetzt kann man sagen. „Ja, da musste eben durch….wird schon“ Klar!
Während Hedi im OP war, haben wir eine Runde um die Klinik gedreht, um uns abzulenken, die Zeit zu vertreiben und die Gedanken mal zu lüften. Zurück in der Klinik kam dann irgendwann die Nachricht: „Ihre Tochter wartet im Aufwachraum auf Sie“ Der schönste Satz, hatte unsere kleine Motte scheinbar alles überstanden.

Relativ schnell war Hedi wieder die Alte, forderte ihr Mittagessen ein und trank ordentlich ihr Getränk, wunderte sich über die Verkabelung an ihrer Hand und machte schnell wieder Schabernack. Wir wunderten uns ein wenig. Hatte sie nicht gerade eine OP, inkl. Vollnarkose? Erstaunlich.

Irgendwann erschien dann eine Ärztin bei uns, um zu erklären was gemacht bzw. in unserem Fall leider nicht gemacht wurde. Denn wie sich beim Blick durch die Kamera herausstellen sollte, konnte man nicht den minimalen Weg gehen, sondern wir müssen uns mit dem Gedanken befassen, dass eine größere OP auf Hedi zukommt. Plötzlich standen Fakten wie „Transplantation“ im Raum und wir blieben niedergeschlagen und verwirrt im Zimmer zurück. So hatten wir doch Hoffnung und Zuversicht , „geheilt“ nach Hause gehen zu können. Stattdessen wurden Termine für Oktober koordiniert und wir in den heißesten Tag ever nach Hause entlassen.

24 Stunden später hat uns der Alltag wieder. Einkaufen, Rezept abholen und ausgiebiges Spielen in Hedis Küche. Die Gedanken müssen weiter sortiert werden, zusätzliche Meinungen und Durchatmen werden dabei helfen. Fakt ist: Wir werden auf unser Bauchgefühl hören und Hedi alles ermöglichen, was notwendig ist. So wie wir es immer tun, als Familie und kleine Gang.